ÖTV und Sport Austria warnen vor Medienwertverlust von 80 Millionen Euro bei Einstellung von ORF SPORT+
Sport-Austria-Präsident Hans Niessl traf sich indes mit ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und mahnt „Planungssicherheit für den Sport“ ein.
Die von der ORF-Führung angekündigte Einstellung von ORF SPORT+ – ohne zuvor mit dem organisierten Sport in Kontakt getreten zu sein – war aus Sicht der Bundes-Sportorganisation Sport Austria irritierend und hat in der Sportbranche für große Unruhe gesorgt. Heute, Dienstag, hat nun ein Treffen zwischen Sport-Austria-Präsident Hans Niessl und ORF-Generaldirektor Roland Weißmann stattgefunden. Der ORF sieht in der Digitalisierung die Zukunft, benötigt dafür aber einen neuen gesetzlichen Rahmen. Sport Austria pocht auf Planungssicherheit und will nächste Schritte mit Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler besprechen.
Niessl will „Aufrechterhaltung und Attraktivierung dieser Sendefläche“
Weißmann äußerte Verständnis für die schwierige Situation, die die Einstellung des Sportspartensenders für den Sport bedeuten würde, betonte aber die prekäre finanzielle Situation des ORF. Der ORF müsse in den nächsten vier Jahren 300 Millionen Euro einsparen. Durch die Aufhebung der GIS-Gebühren durch den VfGH sei die Lage noch angespannter und auch keine finanzielle Sicherheit mehr gegeben. Der ORF strebe die Digitalisierung des Programmes an. Diese wolle man auch verstärkt für die Abbildung des Sports verwenden. Voraussetzung dafür seien die Rahmenbedingungen der Finanzierung sowie die Novellierung des ORF-Gesetzes in Richtung Digitalisierung.
Sport-Austria-Präsident Niessl erklärte: „Uns geht es weiterhin um die Aufrechterhaltung und Attraktivierung dieser Sendefläche. Um Planungssicherheit für unsere Verbände und Vereine zu haben, muss der Sender zumindest bis 2026 in Betrieb bleiben. Alles andere wäre geradezu fahrlässig für die Vielfalt unserer Sportkultur. Der Sender hat große Bedeutung für den Spitzen- und Breitensport, aber auch für gesellschaftspolitische Themen wie Behinderten-, Gesundheits- und Frauensport. Verliert der Sport eine derartige Sendefläche, würde Österreich zahlreiche internationale Sportveranstaltungen nicht mehr erhalten und wäre auch für die Verbände und Vereine ein jährlicher Medienwert von 80 Millionen Euro dahin!“ Aber nicht nur der ORF, auch Sport Austria sieht in der Digitalisierungsoffensive großes Zukunftspotenzial. Niessl: „Für den Sport ist es dennoch wichtig, dass ORF SPORT+ zumindest bis zum Abschluss des Digitalisierungs-Ausbaus, der ja noch Jahre dauern kann, als Plattform erhalten bleibt. Und dann kommt es freilich auch noch darauf an, wie die digitalisierte ORF-Sportberichterstattung dargestellt und auch beworben wird…“
Entzug der Lebensgrundlage? Ohneberg: „Das kann nicht sein!“
Niessl weiter: „Neben dem gesellschaftspolitischen Schaden, den eine Streichung ohne zumindest gleichwertigen Ersatz verursachen würde, geht es uns natürlich auch um den wirtschaftlichen Aspekt. Es gibt Berechnungen, dass dem organisierten Sport, von dessen Highlights auch der ORF gut lebt, ohne Sendefläche wie ORF SPORT+ rund 80 Millionen Euro an Medienwert entgingen. Jährlich!“ Der Medienwert sei „ein wesentliches Argument von Vereinen und Verbänden, wenn es darum geht, Sponsoren zu gewinnen oder zu binden. Der Schaden wäre unermesslich! Die Vielfalt des Sports als wesentlichen Bestandteil der österreichischen Kultur zu gefährden, ist fahrlässig“, führte Österreichs Sportoberhaupt weiter aus. „Das werden wir am Dienstag der ORF-Führung vor Augen führen und sie an ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag erinnern“, so Niessl noch vor dem erwähnten Gespräch mit Weißmann. „Wir erwarten dabei ein zukunftsorientiertes ORF-Konzept, das Österreichs Sport in seiner Gesamtheit abbildet und den Status quo sogar verbessert.“
Ganz ähnlich sieht das auch ÖTV-Präsident Martin Ohneberg: „Wie wichtig ORF SPORT+ auch für den ÖTV ist, zeigt ein einfaches Beispiel. Der für unsere Sponsoren so wichtige Medienwert wird zu zwei Drittel über TV-Übertragungen erzielt. Davon sind 75 bis 90 Prozent auf ORF SPORT+ zurückzuführen. Was die ORF-Führung auch bedenken sollte: Viele Verbände haben gegenüber ihren Sponsoren laufende Verträge zu erfüllen. Stellt man ORF SPORT+ ein, weil man ein 300-Millionen-Euro-Loch stopfen muss, erspart man sich maximal zehn Millionen Euro, entzieht aber gleichzeitig weiten Teilen des österreichischen Sports eine wichtige Lebensgrundlage. Das kann es nicht sein! Das gefährdet auch Arbeitsplätze. Und würde mit Sicherheit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag widersprechen.“
„Wäre eine Katastrophe!“: Melzer warnt vor FreeTV fast ohne Tennis
ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer ergänzte: „Was viele vergessen: ORF SPORT+ ist auch für Tennis enorm wichtig. Nur die größten Tennisevents wie die Erste Bank Open werden auf ORF 1 übertragen – und das nur in relativ kurzer Sendezeit. Alle vier ATP-Challenger, die Staatsmeisterschaften in Oberpullendorf und auch das WTA-Damenturnier in Linz würden sich voraussichtlich in ORF 1 nicht wiederfinden. Dadurch gäbe es fast kein Tennis mehr im heimischen FreeTV. Das wäre eine Katastrophe! Insbesondere für die Tennisjugend, aber auch für den Frauensport, wenn man an das WTA-Turnier in Linz denkt…“
Im Treffen mit dem ORF-Generaldirektor wies Sport Austria auch darauf hin, dass die Bundesregierung in den vergangenen Jahren große finanzielle Mittel für die Aufrechterhaltung des Sports geleistet hat. Durch die Einstellung von ORF SPORT+ würde der Sport aber nachhaltig geschwächt und die Bemühung der Bundesregierung konterkariert. Niessl: „So gesehen würde sich die Regierung ja selbst ins Knie schießen, wenn die von ihr verlangten ORF-Sparpläne dazu führen, dass der Sport – den sie gerade erst durch Corona geführt, in der Energiekrise unterstützt und mit einer höheren Förderung ausgestattet hat – durch die Einstellung von ORF SPORT+ seine Grundlage verliert. Deshalb werden wir nun einen Termin mit Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler suchen.“
Für Sport Austria haben am Gespräch mit Roland Weißmann Präsident Hans Niessl, SPORTUNION-Präsident Peter McDonald, ASKÖ-Präsident Hermann Krist, Paralympics-Präsidentin Maria Rauch-Kallat, Vizepräsident und AFBÖ-Präsident Michael Eschlböck und Geschäftsführer Gerd Bischofter teilgenommen.